Columbia Threadneedle | Schwache Einkaufsmanagerindizes: Droht Eurozone und Großbritannien die Flaute?
Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle
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Eurozone: Grund zur Sorge
In der Eurozone fielen eine Reihe von Wirtschaftsindikatoren erschreckend schwach aus. Das Vertrauen schwindet sowohl bei Verbrauchern als auch bei Unternehmen – und das trotz einer sinkenden Inflation und rekordhohen Beschäftigungsraten. Dafür sieht Bell mehrere Gründe: „Ungeachtet des Abwärtstrends befinden sich die Energiepreise immer noch weit über den Niveaus, die vorherrschten, bevor Russland den Gashahn zudrehte. Deutsche Unternehmen, die auf billiges russisches Gas angewiesen sind, haben ihre Wettbewerbsfähigkeit verloren“, so der Chefökonom. Und obwohl die Arbeitslosenrate niedrig und in Deutschland sogar weiterhin rückläufig sei, verängstigen Schlagzeilen über eine Welle von Unternehmenspleiten sowohl Verbraucher als auch Unternehmer. „Kommen jetzt noch steigende Zinsen hinzu, ist Untergangsstimmung vorprogrammiert“, resümiert Bell.
Das fehlende Vertrauen führt dem Chefvolkswirt zufolge dazu, dass Verbraucher weniger geneigt sind, ihr während der Covid-Krise angespartes Kapital anzufassen. Zwar gibt es Ausnahmen: In Spanien beispielsweise boomt der Einzelhandel. „Doch das bestätigt eher die Regel“, so Bell. Angesichts einer Inflation, die das Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) weit überschreitet, ist Bell überzeugt: „Die Leitzinsen dürften weiter steigen – und die Aussicht auf eine schrumpfende Wirtschaft im Winter wird zu einem immer realistischeren Szenario, auch wenn die Arbeitslosenrate auch dann nur marginal steigen dürfte.“
Großbritannien: Verbrauchervertrauen nimmt zu
Die Einkaufsmanagerumfragen deuten zwar auch im Vereinigten Königreich auf eine Schwäche hin, besonders im zuvor widerstandsfähigen Dienstleistungssektor. „Dennoch haben sich die Daten insgesamt als robust erwiesen“, beobachtet Bell. Im Gegensatz zur Eurozone scheint sich das Konsumentenvertrauen im Vereinigten Königreich zu erholen, und es gibt Anzeichen, dass im Herbst die Verkaufszahlen im Einzelhandel zunehmen könnten. Trotzdem gebe es weiterhin Herausforderungen: „Mit jeder neuen Woche werden mehr Hypotheken zu höheren Zinssätzen erneuert, die Hauspreise dürften weiter fallen und wir rechnen damit, dass auch die Arbeitslosigkeit zunimmt“, räumt der Chefökonom ein. Doch wir dürften nicht vergessen, dass die Hypothekenzinsen seit den Höchstständen Anfang Juli signifikant gefallen seien. Eine sinkende Inflation bedeute zudem, dass reale Einkommen allmählich steigen. „Die Bank of England könnte die Leitzinsen noch einmal anheben – doch danach dürfte Schluss sein mit der geldpolitischen Straffung“, ist Bell überzeugt.
Die Einkaufsmanagerindizes sind Kennzahlen für Erwartungen. Sie werden genau beobachtet, stellten sich in Bezug auf das Wirtschaftswachstum eine Zeitlang jedoch als übertrieben pessimistisch heraus. „Anders als im Vereinigten Königreich werden die schwachen PMIs in Europa allerdings durch die Wirtschaftsdaten bestätigt. Das gilt insbesondere für Deutschland, die Niederlande und Italien“, betont Bell – für den Chefvolkswirt von Columbia Threadneedle Investments ein besorgniserregendes Bild. Doch auch Großbritanniens Wirtschaft sei noch nicht über den Berg und es gebe durchaus Risiken. „Wenn ich jedoch richtig liege und die Inflation weiter sinkt, wird auch das Verbrauchervertrauen zunehmen – damit bleibt das Wirtschaftswachstum zwar schwach, aber trotzdem im positiven Bereich“, zeigt sich Bell zuversichtlich. Für noch weniger wahrscheinlich hält der Chefökonom eine Rezession in den USA: „Zwar könnte eine Wiederaufnahme der Rückzahlung von Studienkrediten einen kurzen Schluckauf verursachen, aber die allgemeinen wirtschaftlichen Fundamentaldaten sehen überzeugend aus“, schließt Bell.
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